Brasilien, Dezember 2019. Cellulite. Möglichst viel nackte Haut und möglichst wenig Stoff. Unrasierte Beine und wabbelige Hintern und Bäuche in schokobraun. Dazu eine Vielzahl an unterschiedlichen Gerüchen. Zunächst der leichte Fischgeruch des Meeres, dazu der Geruch von Holzkohlegegrilltem. Hin und wieder Schwaden von Zigarillos und eine Spur Cannabis. Der Strand ist voller Menschen, den Mythos von der heißen Latina erfüllt hier jedoch fast niemand. Es ist laut. Musik, das Schreien von Kindern, Menschenmassen. Der Atlantik ist irgendwas zwischen schmutzigbraun und algengrün und glättet mit starken Wogen den groben Sandstrand, auf dem ich barfuß laufe. Das Wasser fühlt sich kalt an den Beinen an. Viele junge Brasilianer spielen Fußball im Sand während Mädchen mit winzigen, aufgeklebten Bikinis, die nur das Nötigste bedecken, vorbeilaufen. Hauptsache knapp. Eine Armada von Sonnenschirmen steht vor dem Zuckerhut und den Hotelburgen im Sand Spalier. Darunter liegen Menschen mit dem Geruch nach Sonnenöl und mit Sandkörnern am ganzen Körper. Es schmerzt sicherlich, diese später von der roten Haut schrubben zu müssen, die vielerorts aufblitzt. Junggesellenabschiede und Partytouristen ducken sich mit der Kühltasche voll Bier und einem Capirinha in der Hand in den Schatten der Schirme. Überall Menschen und kaum Platz. Das ist die Copacabana.
Irgendwie habe ich mir das anders vorgestellt. Türkisblaues Wasser, badewannenwarm und klar. Mein Handtuch am Strand unter der tropischen Sonnenwärme. Ein exotischer Drink, der ein wenig Kühle verheißt. Der freie Blick auf den Zuckerhut. Die wenigen Menschen am Strand mit Modelmaßen. So schlank und so perfekt schön, dass ich beim Ansehen Minderwertigkeitskomplexe bekomme. Entspannen zum Rauschen des Ozeans. Nichts davon trifft zu, ich bin mehr als nur ein wenig enttäuscht. Aber die Wahrscheinlichkeit, einen der berühmtesten Strände der Welt mit einem der größten Feuerwerke der Welt nur wenige Tage vor dem großen Spektakel für sich allein zu haben, ist tatsächlich sehr gering. Wer es sich leisten kann, reist aus dem gesamten Land und aus aller Welt an. So auch wir. Nur wenige Meter von der Copacabana entfernt, wohnen wir in zweiter Reihe, mit Blick auf den legendären Strand. Beim Flanieren hier fühlen wir uns sicher, überall ist Polizei. Das weltberühmte schwarz-weiße Wellenmuster der Promenade windet sich unter unseren Füßen parallel zum Strand entlang. Die Hitze wird in der Mittagssonne von den Pflastersteinen reflektiert. Im Schatten der Hotels sitzen ein paar wenige Bettler am Straßenrand. Sie wirken jedoch nicht gefährlich. Der Boden ist sauber, trotz der Massen am Strand liegt kein Müll herum. Die ersten Straßen werden bereits gesperrt. Die Stadt rüstet sich für das Großevent des Jahres. Wir dürfen dabei sein. Obwohl alles nicht so ist, wie ich es mir in meiner Vorstellung ausgemalt habe, spüre ich sie trotzdem. Die ungebändigte Freude, dass wir ein Teil des Ganzen sind und in ein paar Tagen gemeinsam Silvester im exotischen Rio de Janeiro an der Copacabana feiern.

Hast du sehr schön geschrieben. Schade das die Wirklichkeit nichts mit deinen Vorstellungen gleich hat. Wünsche dir trotzdem noch eine schöne Zeit.