Reise in den Dschungel – Ein Abenteuer für sich

Fahrt nach Atjoni

Unschuldig schaukelt die goldbraune Flüssigkeit im Getränkehalter vor sich hin. „Die trinken Whiskey“, flüstert Philipp mir zu. Ich bin mir nicht sicher. Wer ist schon so blöd und trinkt Whiskey während der Fahrt, frage ich mich. Ich denke daran, als der Fahrer des Minibusses uns begrüßt hat: Im mittleren Alter, unreine Haut, nur noch wenige Zähne und gelbe Augäpfel. Ein Gewohnheitstrinker. Das hätte mir auffallen müssen. Nun sehe ich sie auch. Die kleine Glasflasche, aus der der Beifahrer mehr oder weniger heimlich nachschenkt. Beide trinken den Alkohol wie Wasser. Der Fahrer wird immer unvorsichtiger und fährt schneller. Mein Herzschlag beschleunigt sich. Ich beschließe, mich nun doch mal anzuschnallen. Nach einer bangen Stunde mit klopfendem Herzen und Adrenalin meinerseits, auf der falschen Seite fahren, willkürlichen Hupkonzerten und Kurven schneiden auf Seiten des Fahrers, gelangen wir endlich an den Pier von Atjoni.

Pier von Atjoni

Wie geht es nun weiter?

Wir treffen vier Holländer, die ebenfalls zu unserer Lodge übersetzen wollen. Eines der beiden Paare lebt in Suriname, sie zeigen ihren Freunden die Seifenfabrik, die sie gerade dort aufbauen. Alle sind Stammgäste in der Lodge, kennen die Leute und den Weg. Nach ein paar Minuten Warten kommt unser Fahrer und die ungefähr eineinhalb Stunden Bootsfahrt flussaufwärts zur Lodge können starten.

Gepäck ist verstaut und der Regenschirm auch dabei

Die Fahrt im motorisierten Kanu ist ein Erlebnis für sich. Der Suriname ist ein breiter Fluss und ab hier der einzige Weg zu den Dörfern an seinem Ufer. Das Leben spielt sich zum großen Teil am Flussufer ab. Frauen in bunten Tüchern waschen am Fluss, die Männer angeln, die Kinder spielen im Wasser. Viele sind nackt oder haben nur ein Tuch um die Hüften mit dem sie sich rasch bedecken, als wir Touristen vorbei kommen. Fotos mögen sie nicht.

Träge scheint der schlammbraune Fluss vor sich hinzutreiben. Rechts und links erheben sich die Urwaldriesen am Ufer. Der Dschungel erscheint wie eine undurchdringliche Wand, nur stellenweise unterbrochen durch Dörfer und Resorts. Einige der Baumkronen ragen besonders weit über das Dickicht hinaus. In ihren mächtigen Kronen wachsen Bromelien und Lianen hängen wild herunter. Wir passieren im rasenden Tempo Sandbänke und große Steine.

Die Idylle des Suriname ist jedoch trügerisch. Stromschnellen liegen vor uns, besonders gefährlich sind sie jetzt, wo der Wasserstand niedrig ist. Geschickt lenkt uns der Steuermann durch das aufgewühlte Wasser. Ein kurzer Ruck ist zu spüren als der Boden des Kanus über die Steine am Grund kratzt, dann ist die Stromschnelle überwunden. Wir gleiten weiter durch das Wasser, das regelmäßige Schnurren des Dieselmotors im Rücken. Es gibt hier Kaimane und Piranhas. Ein gutes Stück weiter flussaufwärts sehen wir auch gleich ein stattliches Exemplar. Die Echse liegt auf einem Baumstamm und döst vor sich hin. Aufgeschreckt vom Motorenlärm sucht sie jedoch das Weite und gleitet überraschend schnell mit einem wendigen Satz ins Wasser.Ich genieße die Fahrt und den Wind, der mir ins Gesicht weht. Wassertropfen spritzen immer wieder hoch und kühlen die sonnenwarme Haut angenehm. Kleine Schwalben jagen dicht über der Wasseroberfläche nach Insekten und fliegen dabei schneller als unser Kanu. Bunte Schmetterlinge taumeln in leuchtenden blauen, grünen, gelben oder orangenen Klecksen über das Wasser. Für sie ist der Weg von einem Ufer zum anderen eine halbe Weltreise. Wie kann der Mensch nur etwas so Wundervolles zerstören?, blitzt kurz ein Gedanke in mir auf, und denke an die weit verbreitete Rodung des Regenwaldes. Ich verdränge den Gedanken schnell und genieße lieber den Moment und die Gänsehaut, die meinen Körper überzieht.

Gestrandetes Kanu

Kurz darauf müssen wir weitere Stromschnellen überwinden. Vor uns steckt bereits ein Boot fest, es ist schwer beladen. Zehn Männer versuchen das festgefahrene Kanu zu bewegen. Unsere beiden Fahrer zögern nicht lange, lenken unser Boot an den Strand und springen kopfüber ins Wasser. Mit vereinten Kräften heben die Männer den Bug des Bootes an. Es schwankt gefährlich erst jetzt registrieren wir die zarte, in gelb gekleidete Frau mit dem Kleinkind auf dem Arm, die noch im Boot sitzt. „Oh mein Gott, das Baby“, schreit eine der Holländerinnen hinter mir ängstlich. Neben mir wird Philipp unruhig. Mit vereinten Kräften hieven die Männer das Boot nochmals an. Ein lautes Knirschen, wie wenn morsches Holz bricht, und das Boot ist frei. Die Kräfte des Wassers wirken nun auf das Kanu und es dreht sich unkontrolliert. Die Männer bringen sich in Sicherheit. Einer ist kurz in den Strudeln des Wassers verschwunden. Erleichtert stoße ich den Atem aus, den ich angehalten hatte, als sein Kopf wieder aus den Fluten auftaucht. Der Steuermann sitzt inzwischen wieder im Boot und hat es unter Kontrolle gebracht. Die Frau in gelb sitzt noch mit dem Baby im Boot. Das Aufatmen aller ist spürbar. Nun müssen wir das gleiche Stück ebenfalls zurücklegen. Unser Fahrer nimmt mit dem Kanu Anlauf, ich halte wieder den Atem an. Überraschend einfach gleiten wir ohne Probleme über die Steine nach oben. Es gilt nun ein weiteres Stück zu überwinden. Wir fahren im Konvoi. Ein leeres Kanu fährt vorneweg, es ist leichter als wir und wendiger. Hinter uns ein weiteres und das schwer beladene Kanu. Kurve um Kurve, Schnelle um Schnelle legen wir so, langsam aber stetig, zurück. Einmal noch ist kurz Anspannung zu spüren als der Steuermann die Kraft des Wassers unterschätzt. Das Kanu wird vom Wasser weiter getrieben als geplant. Wir krachen seitlich mit dem Heck auf einen Stein, das Holz knirscht als würde das Boot zerbrechen. Die Vibrationen sind unter unseren Füßen zu spüren als das Holz zurückfedert.

Alle helfen mit, damit das Kanu freikommt

Kurz darauf ist es geschafft. Wir können unsere Fahrt ohne größere Schwierigkeiten fortsetzen. In einiger Entfernung ist bereits unser Resort zu sehen, das wir nach ein paar Minuten erreichen und an Land gehen können. Schade, dass die Fahrt schon vorüber ist.

Unsere Lodge im Dschungel
Blick vom Balkon
Bad im Suriname-Fluss

5 Kommentare

    1. Das stimmt, in den letzten knapp vier Wochen (mehr ist es noch nicht) gab es schon einige Highlights. Wir sind schon gespannt, was noch folgt. 🙂

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