Sarawak – Sonnenuntergang mit Delfinen und Nasenaffen

Borneo, März 2018. Glühwürmchen. Wer mag sie nicht, die kleinen, grün leuchtenden Punkte. Ich verbinde sie mit lauen Sommernächten, in denen man mit Freunden bis zum Morgengrauen im Garten zusammensitzt. Ein Glühwürmchen löst bei mir Glücksgefühle aus. Die Freude über etwas Wunderschönes und Einzigartiges kommt immer unvermittelt auf, wenn ich eines sehe. In Borneo gibt es ganz viele dieser wunderbaren Geschöpfe zu bestaunen.

Philipp und ich haben eine Bootstour gebucht. Nicht irgendeinen Ausflug, sondern ein paar Stunden, die voller Höhepunkte sein sollen. Endemische Nasenaffen, Flussdelfine und schließlich Schwärme von Glühwürmchen werden uns versprochen.

Pünktlich werden wir im Kastenwagen vom Hotel abgeholt und fahren zu einem Anlegeplatz am Fluss Sarawak. Ein kleines Motorboot liegt dort vor Anker. Unser Gefährt für die nächsten Stunden. Die Tour startet unspektakulär und touristisch. Insgesamt sind wir circa zehn Personen. Jeder bekommt eine Rettungsweste verpasst und ein Mikrofon samt Lautsprecher stehen für den Reiseführer bereit. Wir fahren zunächst den Fluss entlang in Richtung Meer. Der frische Fahrtwind bringt eine angenehme Kühle im schwülheißen Tropenklima mit sich. Links und rechts des Flusses wachsen Mangroven, deren Wurzeln bis ins Wasser reichen, und halbhohe Palmen. Die Farbe Grün der zahlreichen unterschiedlichen Pflanzen prägt das Landschaftsbild. In der Ferne erheben sich ein paar Berge. Legenden ranken sich darum. Wenn man genau hinschaut, vermag man ein Gesicht darin zu erkennen. Eine verwunschene Prinzessin, Opfer des Kampfes zwischen Prinzen und General. Beide wollten sie für sich. Nun hat sie keinen der Beiden bekommen und fristet ihr versteinertes Dasein bis in alle Ewigkeit als Erhebung in der Landschaft.

Wir schippern den Fluss entlang, bis er auf das Südchinesische Meer trifft. Einige dunkle Felsen stehen hier im Wasser. Dieses ist eher brackig und braun vom Schlamm des Flusses als klar und blau. Die tief stehende Abendsonne zaubert Goldene Reflexe in die kleinen Wellen. Da, dort ist ein grauer Schatten zu sehen. So schnell, wie er aufgetaucht ist, ist er auch schon wieder verschwunden. Einige Meter weiter taucht er wieder auf. Die Finne eines Delfins. Plötzlich sind sie da. Eine Gruppe der neugierigen Tiere interessiert sich für das Boot und umkreist es. Willkürlich tauchen sie aus dem Meer auf und ab, mit einer Leichtigkeit als wäre ihr ganzes Leben ein fröhliches Spiel. Nach einiger Zeit haben sie das Boot im Wasser genug erkundet. Die Gruppe wendet sich ab und verschwindet mit großen Sprüngen am Horizont in Richtung des offenen Meeres. Der Kapitän wendet, es geht nun zurück zum Fluss. Ziel sind einige Inseln im Fluss. Nasenaffen sollen sich dort in den Mangrovenwäldern am Ufer aufhalten. Bereits nach kurzer Suche treffen wir auf ein großes Affenmännchen. Fleißig rupft es die harten Blätter von den Mangroven und stopft sie sich in das Maul. Die riesige Nase dominiert das Gesicht. Die weiblichen Affen stehen wohl drauf. Je größer die Nase, umso beliebter der Kerl dazu. Aufgrund des überdimensionierten Riechorgans hat diese Affenart bei den Einheimischen auch den Spitznamen „Holländeraffen“. Kein schmeichelhafter Vergleich. Aber gegenüber den europäischen Nasen sind die asiatischen wirklichen zierlich.

Es ist nun Zeit fürs Abendessen. Dazu halten wir gegenüber eines Dorfes im Fluss. Dieses ist auf Stelzen gebaut, die Bewohner leben vom Tourismus und vom Fischfang. Wir hingegen bekommen ein Sandwich und Kuchen. Relativ schweigsam sind alle Passagiere mit Essen beschäftigt. Das Boot schaukelt leise in den Wellen des Flusses. Die heiße Schwüle des Tages weicht der Kühle verheißenden Dämmerung. Der Sonnenuntergang ist wunderschön und beleuchtet die rosa Wolken golden von unten vor einem glühend orangefarbenen Himmel. Jedes Mal, wenn ich wieder hinsehe, haben sich die Farben und Wolkenformationen geändert. Ein spektakuläres Schauspiel. Plötzlich fängt der Muezzin im Dorf gegenüber an, zum Gebet zu rufen. Die fremdartigen, arabischen Töne wehen klagend über das Wasser zu uns herüber. Durch die Stille dringt jeder Ton klar durch die Luft. Ich spüre, wie sich die Haare an meinen Armen aufrichten, ein wahrer Gänsehautmoment. Man kann gar nicht anders als ergriffen zu sein vom Augenblick. Vom flammenden Himmel, vom exotischen Gesang über dem friedlichen Dorf in der Dämmerung, vom leichten Wind, in dem unser Boot sanft schaukelt.
Viel zu schnell ist alles vorbei und wir fahren weiter zu unserem letzten Höhepunkt für heute. Es wird schnell dunkel. Wie ein Vorhang legt sich die Schwärze der Nacht über die Landschaft. Nur der Scheinwerfer des Bootes bringt ein wenig Licht ins Dunkel. Vereinzelt kann ich sie schon sehen. Die kleinen, grün leuchtenden Punkte, die durch die Nacht taumeln. Wir biegen in einen kleineren Flussarm ab. Der Kapitän schaltet das Licht aus. Ich muss mich erst einmal orientieren, ehe ich es erkenne. In einem Baum am Ufer sitzen sie. Hunderte von Glühwürmchen schmücken den mächtigen Baum am Flussufer. Wie kleine Lampions erhellen sie die Blätter und lassen selbst im Dunklen die Silhouette der Mangrove erkennen. Schon wieder ist es still bis auf das Zirpen der Grillen. Ein magischer Moment. Beim näheren Hinsehen erkenne ich, dass die Glühwürmchen miteinander kommunizieren, das Blinken hat einen Rhythmus. Unser Führer zeigt uns das näher. Mit einer Taschenlampe blinkt er unregelmäßig auf. Und tatsächlich, das ein oder andere Glühwürmchen fühlt sich angesprochen und kommt zur Taschenlampe geflogen. Eine Lampe ist jedoch nicht die Partnerin fürs Leben. Als ihm das auffällt, kehrt er dann doch wieder um. Zurück zum Baum, in dem die Kollegen warten. Für uns wird es nun auch Zeit, diesen märchenhaften Ort zu verlassen und uns nach Hause ans Festland zu begeben. Dieser Ausflug mit so vielen Höhepunkten wird mir jedoch noch lange im Gedächtnis bleiben.

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